6.6 Hans Joachim Schädlich

In der Tiergartenstraße in Berlin - in der Nähe der Berliner Philharmonie - steht heute eine Gedenktafel für die mehreren tausend Opfer des Euthanasieprogramms der Nationalsozialisten. Im Rahmen des T4 Programms (der Name geht auf die ehemalige Adresse der Behörde zurück, die für die Planung und Umsetzung dieses Programms verantwortlich war - Tiergartenstraße 4) töteten Ärzte, Pflegepersonal sowie Angestellte in Krankenhäusern und geschlossenen Anstalten im Dritten Reich mehr als 200.000 Menschen mit körperlichen und geistigen Krankheiten.

Stolperstein in Berlin für Kurt Pindikowski, der in der Pflegeanstalt Bernburg ermordet wurdeDieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte wurde lange verschwiegen. Ebenso wie viele Geschichten über die Opfer des Holocausts gelangten Texte über andere nationalsozialistische Gräueltaten erst sehr spät an eine breite Öffentlichkeit, und es werden immer noch weitere entdeckt und geschrieben. Bei der literarischen Umsetzung dieser Thematik stellte sich den AutorInnen immer wieder die Frage, wie man die Schrecken adäquat zum Ausdruck bringen könnte. Der Schriftsteller Hans Joachim Schädlich veröffentlichte 1985 einen kurzen Text zu diesem Thema, "Fritz." Die Webseite enthält neben dem geschriebenen Text auch eine Audiodatei von Schädlich, so dass Sie die Geschichte lesen und gleichzeitig hören können.

Wer ist Hans Joachim Schädlich?

Hans Joachim Schädlich wurde 1935 in Reichenbach/Sachsen geboren. In Leipzig und Berlin studierte er Germanistik. Seine erste Prosaveröffentlichtung Versuchte Nähe (1977) erschien in Westdeutschland. Da er gegenüber der DDR-Regierung kritisch eingestellt war und sich für politische Belange engagierte, wurde er zum Staatsfeind. Sein Ausreiseantrag in die BRD wurde 1977 genehmigt. Schädlich wohnte zuerst in Hamburg und später in West-Berlin. Sein literarisches Werk wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet.

Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 stimmte der Bundestag über die neue Hauptstadt ab - Berlin gewann mit einer knappen Mehrheit. Wie viele Ostdeutsche erfuhr Hans Joachim Schädlich in den neunziger Jahren, nachdem die Akten der "Stasi" (Staatssicherheit) von der "BStU" frei gegeben worden waren, dass er von der Geheimpolizei überwacht worden war, und dass diese für die Aufgabe seinen Bruder hatte gewinnen können: Karlheinz Schädlich nahm sich 2007 in einem Park am Prenzlauer Berg das Leben. 

 


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